Eisbär 2011

Juni 13, 2019 Aus Von admin

Kann ein Eisbär Rad fahren?

Es standen 3 Strecken zur Auswahl:

  • 50 km Jedermann Start 10.00 Uhr
  • 75 km Profi Start 09.00 Uhr
  • 100 km Marathon Start 09.00 Uhr

Vor dem Start begrüßte der Bürgermeister die „Eisbären“ und wünschte viel Spaß für die nächsten Stunden. Ein Spaßvogel, wie sich später noch herausstellen sollte.


Der Veranstalter teilte nun mit, dass die Marathonstrecke wegen der momentan herrschenden Verhältnisse (Überschwemmung) gestrichen wurde. Auch werde das Fahrerfeld die ersten 5 km aus der Stadt heraus begleitet und auf diesem Abschnitt gelte auch Überholverbot. Er wies auch darauf hin, dass dies kein Rennen sein soll, sondern jeder für sich die Strecke, Landschaft und das Erlebnis „EISBÄR“ genießen soll.„Auf der Karte ist die Strecke in einzelne Sektoren aufgeteilt. Sagt uns bitte in welchem Sektor ihr euch befindet, wenn ihr Hilfe braucht. Die Rufnummer steht unten“ gibt er uns noch mit auf den Weg. Dann zählen alle die letzten 10 Sekunden vor dem Start runter. 3-2-1 Startschuss !

Es geht los! Ich habe mich ungefähr in die Mitte der über 200 Starter eingeordnet.

Es wird diszipliniert gefahren und nur vereinzelt überholt. Zunächst auf Asphalt am Main entlang, dann auf Schotterwegen mit vereinzelten Pfützen bis es auf unbefestigtes Terrain geht. Als habe es einen 2. Startschuss gegeben, versuchen einzelne Fahrer vor dem jeweils Anderen in die nächste Schlammpfütze zu fahren.

Dadurch kommt der eben Überholte in Probleme, weil er nur die linke oder rechte Spur zum Fahren hat. In der Mitte fahren ist an manchen Stellen nicht möglich und so legen sich die ersten auch schon ab. Kein Problem, ich halte mich aus dem Gewusel heraus und lasse genug Abstand zum Vordermann, damit ein „Überholer“ mich beim wieder-in-die-Spur-fahren nicht schneiden muss. Die Strecke steigt jetzt an und der Untergrund wechselt auf Schnee und Eis. Einige drosseln ihr Tempo so stark, dass ich vorbeifahre um „mein“ Tempo fahren zu können. Das Fahren auf Eis und Schnee stellt sich an diesem Tag als sehr schmierig (Schnee) und überaus glatt (Eis) heraus. Der Weg wird steiler und immer mehr Fahrer müssen absteigen. Teilweise stehen oder laufen sie dann in der Spur, die andere Fahrer nutzen möchten. Deshalb müssen auch diese dann absteigen. So geht es weiter mit abwechselnd fahren, laufen, fahren, laufen, etc. Der erste größere Anstieg ist geschafft und ich bin (noch) guter Dinge. So schlimm war es ja bis jetzt noch nicht. Allerdings verrät der Blick auf den Tacho (km 12), dass noch jede Menge Strecke übrig ist. Ich freue mich auf die Abfahrt…und tatsächlich trotz Schnee gibt es freie Stellen auf denen es man so richtig krachen lassen kann und viel schneller als mir lieb ist, geht es den nächsten Weinberg hinauf. Diesmal kommt beim bergauf fahren zu Eis und Schnee noch Dreck und Matsch dazu. Das macht die ganze Sache auch nicht besser, denke ich mir noch, dann legt sich mein Vordermann direkt vor mir ab. Also absteigen, ihn von seinem Rad „befreien“ und aufstehen helfen. Oh Mann! Er hat sich, so scheint es, das größte Dreckloch in dieser Sektion ausgesucht und sieht aus wie eine Sau frisch aus der Suhle. Da an dieser Stelle nicht an weiterfahren zu denken ist, stapfen wir lustig plaudernd den Berg hoch und bleiben auch für die Weiterfahrt zusammen. Wir lassen uns unsere gute Laune nicht verderben und als auch noch die Sonne hervorkommt, sehen wir das als eine kleine Belohnung dafür an, dass wir nicht aufgeben. Den Berg ohne große Probleme runter und wenige Kilometer weiter erwartet uns schon die erste Verpflegungsstelle. Es gibt „RTF-übliche“ Verpflegung : Salami-Schinken- Käse-Leberwurst-Schmalz, etc.-Brote, verschiedene Kuchen, Riegel, Kaffee, Tee, Isogetränke und vieles mehr. Ich zähle hier nicht alles auf, denn jeder der schon mal auf einer RTF unterwegs war, weiß was ich meine. Was ich aber erwähnen möchte, ist die Freundlichkeit der Helfer. Dafür gibt es nur einen Ausdruck: Supernett! Mit einem warmen Tee im Bauch und in der Trinkflasche geht es weiter. Berg rauf, Berg runter, Eis, Schnee, Dreck, Matsch in loser Reihenfolge. Manchmal auch alles zusammen. Die Nase läuft, aber an ein Abwischen mit dem Handrücken ist nicht mehr zu denken, da auch die Handschuhe mittlerweile von einer Dreckschicht überzogen sind. Es fühlt sich an, als wolle man sich mit groben Schleifpapier die Nase putzen. Nase putzen wird ab jetzt durch kräftiges Ausatmen durch die Nase ersetzt. Geht auch. So ungefähr bei km 45 gibt es eine erneute Steigerung des Schwierigkeitgrades. In einer langen Steigung ist Fahren schlicht unmöglich. Wir probieren es trotzdem immer wieder, um nach 5 Metern wieder absteigen zu müssen. Schieben, versuchen zu fahren, wieder schieben; der Anstieg scheint kein Ende zu nehmen. Wir holen eine Frau ein, die sonst MTB-Rennen fährt. Die „Kampfgemeinschaft“ ist nun zu dritt und wir muntern uns gegenseitig auf, dass der Berg ja irgendwann zu Ende sein muss. War er auch. Aber wer jetzt geglaubt hatte, er könne sich bei der Abfahrt etwas regenerieren, hatte sich geirrt. Eine gewässerte Eisbahn lag vor uns. Es standen Helfer am Rand und warnten jeden Fahrer eindringlich vor dieser „Bobbahn“. Ich kann mich nicht erinnern, so etwas Rutschiges vorher schon mal gefahren zu sein. Hier gab es viele Stürze, wie wir später von anderen Fahrern hörten. Und auch unsere MTB-Amazone verabschiedete uns mit den Worten „Fahrt zu, ich mach hier keine Experimente und schiebe lieber runter“.

Am Ende dieser Rutschpartie erwartete uns eine hügelige Asphalt-Landstraße. Jetzt lief es wieder richtig gut und wir erreichten schneller als gedacht die 2. Verpflegungsstelle. Hier gab es zusätzlich zur „RTF-Verpflegung“eine „deftige Kartoffelsuppe“ und eine „pikante Kürbissuppe“. Ich wählte die Kartoffelsuppe. Hmmm, lecker! Anfangs war noch etwas Sand dabei, der wohl von meinen dreckverkrusteten Lippen stammte, aber das störte mich seltsamerweise nicht mehr. Trinkflasche ans Rad und weiter. Ich war etwas enttäuscht, weil es auf Asphalt weiterging. Ich dachte schon, dass würde so bis ins Ziel gehen, als ich „entschädigt“ wurde. Es ging in ein Waldstück, wo es nicht einmal mehr möglich war auf dem vorgesehenen Weg zu schieben, soviel Dreck, Schlamm, Eis, und Schnee waren in der Spur. Wir mussten uns parallel zum Weg im Wald eine Spur suchen. Dabei blieben die Räder immer wieder an Ästen oder Dreckkrummen hängen. Es war an manchen Stellen solch ein Gezerre und Geziehe, dass die Laune doch mal kurz nach unten ging. Aber auch dieses Waldstück konnte unseren unbedingt-ankommen-Willen nicht brechen. Auf den letzten Kilometern auf Asphalt, freuten wir uns auf das Ziel. Ein letzter Helfer wies uns den Weg in die geschmückte Turnhalle. In der Halle fuhren wir auf einem roten ! Teppich durch den Zielbogen. Geschafft! Die Zuschauer klatschten und wir freuten uns wie kleine Kinder an Weihnachten. Der Veranstalter kam mit dem Mikrofon auf uns zu und so gab ich mein allererstes Interview. ( mit rotem Kopf!) Ich bedankte mich artig beim Veranstalter für die klasse Organisation und den freundlichen Helfern für ihren Einsatz. Ich versprach nächstes Jahr wiederzukommen. Vielleicht mit ein paar Vereinskameraden ? Wir fuhren wieder nach draußen zu den Waschplätzen, die der Veranstalter eingerichtet hatte und wuschen die Räder so gut es ging sauber. Das Radl schnell ins Auto und die Sporttasche heraus. Jetzt freute ich mich auf eine heiße Dusche. Und noch mal an diesem Tag gab es eine Überraschung. Ich konnte noch so hektisch an den Rädchen der Armatur drehen, mehr als „Nordpol-Temperatur“ gab die Dusche nicht her. Zurück in der Halle, sah ich, dass jetzt immer mehr Fahrer total verdreckt ins Ziel kamen. Frisch geduscht, mittlerweile im warmen Trainingsanzug, ein Weißbier in der Hand, sah ich das Ganze schon relativ entspannt. Wie der Veranstalter uns heute morgen schon sagte: Dies ist kein Rennen, genießt es einfach nur !“

Radldoktor, Jan 2011
Auf zum Waschplatz !